Aus dem Call for Papers
Die kafkasche Textdialektik von Interpretationsprovokation bei gleichzeitiger -verweigerung hat zu einer ebenso produktiven wie heterogenen Forschungslage geführt, deren einzelne Ausprägungen, so scheint es bisweilen, in unvereinbarem Widerspruch zueinander stehen. Da dies aber nicht nur Fluch, sondern auch Segen sein kann, möchte sich die kommende Tagung der Deutschen Kafka-Gesellschaft einem Punkt zuwenden, der alle Richtungen gleichermaßen beschäftigt: der Poetik Franz Kafkas.
Der Terminus ›Poetik‹ ist dabei bewusst in seiner weiten Bedeutung – als theoretische Beschäftigung mit literarischen Verfahrensweisen (Poetologie), als normatives Regelwerk und schließlich als Selbstreflexion des Künstlers – gemeint. Ziel einer solchen Begriffssemantik ist die Auseinandersetzung mit dem Werk Kafkas aus möglichst heterogenen Blickwinkeln. Dabei soll nicht die potentielle Selbstreferenz der Texte im Zentrum stehen, sondern vielmehr die Analyse der Schreibweise Kafkas, die beispielsweise – aber nicht zwingend – unter folgenden Leitfragen vorgenommen werden kann:
- Inwiefern gibt es eine Interdependenz zwischen Kafkas Lektüren und seinen narrativen Verfahren? Dabei soll es weniger um eine erneute Parallelisierung von Kafka und seinen literarischen ›Blutsverwandten‹ gehen als vielmehr um seine produktive Rezeption wissenschaftlicher Lektüren im weitesten Sinne (z. B. Rudolf Steiner, Felix Weltsch) sowie derjenigen Texte seiner Bibliothek, die nicht zum literarischen ›Höhenkamm‹ gehören (z. B. Schaffsteins ›Grüne Bändchen‹).
- Auf welche Weise bedingen sich Kafkas Poetik und seine Alltagswelt gegenseitig? Hier wäre beispielsweise zu denken an seine Tätigkeit für die Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt, aber auch an die literarischen Erzeugnisse seines Freundeskreises.
- Welchen Begriff des ›Schreibens‹ legt Kafka an und wie kann dieser diachron bestimmt werden?
- Lässt sich aus Kafkas eigenen Aufzeichnungen ein als – zumindest für ihn – normativ gesetztes poetisches Regelwerk ableiten und falls ja: Inwiefern unterliegt dieses diachronen Veränderungen?
Freitag, 25.11.11
10.00 Uhr: Mitgliederversammlung der Deutschen Kafka-Gesellschaft e. V.
13.00 Uhr: Begrüßung durch den Vorstand der Deutschen Kafka-Gesellschaft e. V.
13.15 Uhr – 15.30 Uhr
Eva Edelmann
Poetische Aphasie – Kafkas Forschungen eines Hundes im Kontext des zionistischen Nachkriegsdiskurses
Markus Setzler
Franz Kafkas Poetik als Narratologie von Räumlichkeit
Martin Endres
grundlos begründet – Kafkas Poetik selbstbegründenden Schreibens
16.00 Uhr – 18.15 Uhr
Fernando Bermejo-Rubio
Opfermechanik und verzerrte Objektivität: ein kafkaeskes Leitmotiv als der Schlüssel zum Verständnis der Verwandlung
Lars Koch
Kafkas Angst
Marc Seiffarth
„Aus dem Jäger ist ein Schmetterling geworden.“ Das Jagd-Motiv als poetologische Allegorie bei Franz Kafka
Samstag, 26.11.11
9.30 Uhr – 11.45 Uhr
Claudia Hillebrandt
„ … daß das für den Leser rührend wird“ – Kafkas narrative Verfahren und ihr emotionales Wirkungspotenzial am Beispiel von Das Urteil
Jean-Pierre Palmier
Kafkas Lust und Mühe am Schreiben. Leichtsinnige Erzählverfahren im Proceß und im Schloß
Kári Driscoll
„Ohne Ergebnis wurde die Kralle wohl niemals angesetzt“: Überlegungen zu Kafkas Zoopoetik
Mittagspause
14.00 Uhr – 15.30 Uhr
Manuel Bauer
Die Poetik der Bestrafung in Franz Kafkas In der Strafkolonie
Klaus Wiehl
Die Poetologie der Biologie: Kafkas Forschungen eines Hundes und Jakob von Uexkülls Umweltlehre
16.00 Uhr – 18.15 Uhr
Harald Neumeyer
Erlesenes Palimpsest. Franz Kafkas Die Verwandlung zwischen Familiendrama, Masochismus und Sozialdarwinismus
Ulrich Stadler
Kafkas Poetik oder die Kunst, die Tiefe an der Oberfläche zu verstecken
Karina Schuller
Die Macht der Sprache. Kafka und das Sprachdispositiv
Sonntag, 27.11.11
9.30 Uhr – 11.45 Uhr
Lucia Iacomella
Kafkas Poetik der Fallgeschichte im Bericht
Anne Kolb
,Niemals komme ich so nach Hause‘ (D 261): Zur narrativen Imminenz des Geschehens in Kafkas (Ver-)Wund(ungs)poesie
Michael Niehaus
Iterativität bei Kafka
Mittagspause
14.00 Uhr – 15.30 Uhr
Beate Sommerfeld
„Es weht mich etwas an, wenn ich sie anschaue“ – Zur Poetik der Wahrnehmung in Kafkas Tagebüchern
Nadja Müller
Kafkas subversive Mythospoetik. Zur Gestaltung und Umgestaltung von Odysseus-, Prometheus-, Sirenen-, und Labyrinthmythos in den Werken Kafkas
16.00 Uhr – 18.15 Uhr
Andrea Sakoparnig
Hermetische Hermeneutik. Überlegungen zu Kafkas medialer Topographie
Sania Reddig
Routine und Spielerei – Narrative Dynamik in Blumfeld, ein älterer Junggeselle
Imelda Rohrbacher
Relektüre zweier Klassiker – Szenisches Präsens im Landarzt und Kafka’s Eternal Present